Von schicken aber unbrauchbaren Produkten und was das mit Agilität zu tun hat
Viele von uns sitzen gerade – noch mehr als zuvor – im Home Office. So auch ich. Geht zwar auch in einer kleinen 2-Zimmer-Wohnung ganz gut, dennoch freute ich mich sehr, als wir zum März in eine etwas größere Wohnung umziehen konnten. Mit separatem Arbeitszimmer! Darauf hatte ich mich schon seit Unterzeichnen des Mietvertrages gefreut. Und ich hatte mir in Gedanken schon alles toll eingerichtet und überlegt, wo alle meine Bücher dekorativ Platz finden sollten.
Eine schöne und praktikable Lösung dafür zu finden, hatte ich mir allerdings anders vorgestellt!
Das Bücherregal, das keines war
Mit der Qualität ist es ja so: Meistens achtet man erst bewusst darauf, wenn sie einem negativ auffällt.
So erging es mir auch bei meinem lang ersehnten Bücherregal. Dazu muss man wissen, dass ich selten einfach aus dem Affekt etwas kaufe und lieber eine Nacht mehr über eine Neuanschaffung schlafe als eine zu wenig. Oft hat sich das schon als sinnvoll herausgestellt. Manchmal kommt es aber trotzdem anders.
So kam vor ein paar Tagen das Regal, das wir in einem Katalog gesehen und für gut befunden hatten. Schönes Design, passt optisch zu dem restlichen Sammelsurium an Möbeln in unserer Wohnung und die Größe ist auch perfekt. Der Aufbau ging leicht von der Hand – wobei ich im Nachhinein sagen muss, dass erste kleine Qualitätsabstriche zu diesem Zeitpunkt schon auffielen. An seinem Bestimmungsort aufgestellt, wurde meine Vorfreude auf das Einräumen und somit auch auf die Beseitigung des Chaos von Kisten und Koffern voller Druckerzeugnisse immer größer.
Ich glaube, es brauchte jedoch keine 5 Minuten bis meine Laune ins genaue Gegenteil kippte. Ich hatte nämlich gerade mal den ersten Regalboden zur Hälfte mit Büchern bestückt, als er sich erschreckend stark in Richtung Fussboden wölbte.
Vor Angst, das neu erworbene Regal könne aufgrund von Materialschwäche direkt auf dem Sperrmüll landen, räumte ich also fluchenderweise alles wieder aus.
In meinen Augen der totale Fail. Sieht zwar gut aus, kann aber nix!
„Das ist ein Bücherregal! Wie kann es sein, dass man keine Bücher da reinstellen kann?!”
Funktionalität First
Spontan kam mir der Ausdruck „Form follows function” in den Sinn. Und „Qualität vor Design”.
Aber worauf ich eigentlich hinaus will, ist Folgendes: Es gibt sicherlich einige Produkte – ob nun in der Möbelfertigung, in der Softwareentwicklung oder eigentlich allen Lebensbereichen – die zwar hübsch aussehen, aber keinerlei Wert oder Nutzen bieten.
Warum? Sicherlich nicht mit Absicht. (Außer natürlich im Falle von Deko-Objekten, deren Hauptzweck es nun mal ist, hübsch zu sein.) Über die konkreten Gründe im Falle des Regals kann ich nur mutmaßen. Aber es gibt eine ganze Reihe von Ursachen, die hinter diesem Phänomen stecken können.
Mögliche Ursachen für schlechte Qualität
- Schlecht oder gar nicht formulierte Anforderungen
- Silodenken
- Kein Feedback einholen
- Schlechte bzw. keine Kommunikation
- Kein klares Ziel bzw. Mehrwert definiert
Diese Liste lässt sich ohne Probleme noch erweitern. Im Grunde können jedoch alle diese Punkte mit agilen Arbeitsweisen adressiert und reduziert, wenn nicht sogar gänzlich vermieden werden. Schon im Agilen Manifest ist die Rede von dem Fokus auf funktionierende Software – was sich natürlich auf alle anderen Produkte übertragen lässt. Und auch viele weitere Aspekte von Scrum und anderen agilen Methoden zielen genau darauf ab.
Diese Aspekte agiler Arbeitsweisen können helfen, gute Qualität sicherzustellen:
- Fokus
- Kommunikation
- frühes und regelmäßiges Feedback
- „Inspect & Adapt”
- bereichsübergreifendes Arbeiten
- Definition of Done
- und natürlich vor allem Produktziele
Auch diese Liste lässt sich natürlich noch gut ergänzen, aber ich denke es wird klar, worum es geht. Und zwar nicht nur darum, Produkte zu erschaffen, die einen echten Wert und Nutzen bieten (was natürlich auch rein dekorative Gründe sein können). Sondern auch darum, das Nutzenversprechen und die existierenden Erwartungen an ein bestimmtes Produkt nicht zu enttäuschen.
Fazit
Schon im Studium habe ich gelernt, dass nichts schlimmer ist, als Kunden, die man bereits hat, zu vergraulen. Denn Neukunden zu gewinnen, ist immer immer schwieriger, aufwändiger und im Zweifelsfall auch teurer, als Bestandskunden zufriedenzustellen und zu halten. Und wie ginge das besser als mit großartiger Qualität!
PS: Das Regal habe ich behalten und ganz pragmatisch zu einem reinen Dekoregal umfunktioniert – man gönnt sich ja sonst nichts. Die Bücher stehen jetzt daneben in einem stabileren, wenn auch nicht ganz so schönen Aufbewahrungsmöbel. Ob ich in diesem Geschäft jedoch nochmal Möbel kaufen werde, da bin ich mir noch nicht so sicher…
Welche Erfahrungen hast Du mit dem Thema „Qualität vor Design” schon gemacht? Vielleicht hast Du auch ein paar spannende Anekdoten über Produkt-Fails oder hast selbst die Entwicklung solcher Produkte miterlebt? Erzähl uns gerne von Deinen Erfahrungen und wie Du damit umgegangen bist.